Die Geschichte wie ich meinen ersten 4000m Berg bestieg!

Angefangen hat diese Geschichte wohl damit, dass Anna und ich über Couchsurfing für ein paar Tage eine Studentin aus Russland, aus dem nördlichen Kaukasusgebirge, aufgenommen hatten. So haben wir Ksenia kennen gelernt. Während ihres 1,5 jährigen Studiums haben wir den Kontakt gehalten und sie erzählte mir immer wieder von ihrem Projekt, dem Hiking-Dream-Team. Sie organisiert regelmäßig Wanderungen im Kaukasus, zuletzt bestieg sie sogar den 5600m hohen Elbrus, der höchste Berg Europas. Als Bergliebhaber war ich natürlich sofort Feuer und Flamme für ihre Events, aber ihr wisst ja wie das immer mit der Zeit ist, wenn man älter wird. Sie entschwindet ungesehen ins Nirgendwo und für Herzensangelegenheiten wird die Zeit immer weniger. So sagte ich nie wirklich zu, sagte immer: „Irgendwann komme ich mal mit, ja vielleicht diesmal, aber sicher kann ich das noch nicht sagen!“.

Meine Tage wurden immer stressiger, der Schlaf immer weniger und irgendwann ist mir dann die Sicherung durchgebrannt. Um aus dem ‚Teufelskreis mal wieder auszubrechen gab es für mich nur eine Lösung: Ich muss für eine Weile hier raus, Handy aus, in die Natur, alles woran ich denken will ist, was esse ich heute, wo schlafe ich heute, sonst nur den Moment genießen. Das war mein Wunsch. So kam es, dass ich letztendlich doch fest zu einem Event von Ksenia zusagte. Eine Woche Wandern in Armenien. Ich überflog kurz das Programm , buchte den Flug und schon war ich dabei. Ich muss sagen, ich merkte mir das Programm nicht sonderlich. Ich wollte meinen Kopf ausschalten, würde den anderen hinterher latschen, egal wohin sie mich führen würden.

So stieg ich letztendlich ziemlich ahnungslos in den Zug in Pfarrkirchen, fuhr direkt zum Flughafen in München und über Minsk ging es dann in die Hauptstadt Yerevan in Armenien, einen Tag früher als das Event beginnen sollte. Der Flug verlief reibungslos, nur wunderte ich mich bei meinem Zwischenstop in Minsk, dass das Flughafenpersonal sich weigerte Schokolade zu verkaufen, die nach Armenien flogen. Frechheit! Sich einfach ungehemmt zwischen mich und meine Schoki zu stellen! So kam ich also ohne Schoki um 4 Uhr morgens in Yerevan an. Ursprünglich war mein Plan zu Fuß zum Hostel zu gehen. Da ich aber kaum geschlafen hatte und es noch dunkel war, erschienen mir die zwölf Kilometer doch ein bisschen zu weit. Also schlief ich am Flughafen noch ein bisschen, wimmelte hunderte von penetranten Taxifahrern ab und als schließlich die Sonne aufging nahm ich einen Bus in die Innenstadt. Als ich dort ankam, verabschiedete sich der Akku meines Handy und so irrte ich erst mal zwei Stunden durch die Stadt, bis mich jemand zu meiner Zieladresse bringen konnte, die ich mir zum Glück gemerkt hatte. Im Hostel angekommen sagte man mir aber, dass ich erst ab 13:30 Uhr einchecken könne. Also irrte ich weiter durch die Stadt, schlief mal hier ein bisschen, trank Kaffee aus jedem Automaten an dem ich vorbei kam, las mal dort ein bisschen in meinem Buch. Ruck Zuck war es halb zwei, ich checkte ein und ruhte mich weiter aus. Irgendwann hörte ich aus meinem Zimmer eine vertraute Stimme. So traf ich wieder auf Ksenia, die mit ihrer Mutter Ala und ihrer Freundin Alina mit einem Minibus durch das Kaukasusgebirge angereist waren. Es ist immer wieder ein seltsames Gefühl, jemanden so weit weg wieder zu treffen. Kurzer Smalltalk bevor ich mich beschloss weiter auszuruhen. Ich hatte viel nachzuholen. Später ging ich auf eigene Faust in ein veganes Rohkost-Restaurant. Das Essen war überragend, komisch war nur, dass ich die ganze Zeit der einzige Gast war und von einem ca. 10-jährigem Kind bedient wurde, das aber erstaunlich gut Englisch sprach. Zurück im Hostel fragte mich Ksenia, ob ich Hunger und Lust auf ein Restaurant hätte. Klar hab ich das, die letzte Mahlzeit ist ja schließlich schon eine halbe Stunde her! Also nochmal ein Restaurant, ein bisschen Wein schlürfen mit Ksenia, Ala und Alina und später gesellte sich dann noch der Holländer Sander dazu, der auch mit einem abenteuerlichen Minibusritt aus Georgien angereist war.

Am nächsten Morgen trudelte der Rest der Truppe ein. Die Belgier Inne und Daan, sowie die selbsternannte deutsche Kartoffel Henrick kamen ebenfalls aus Georgien angereist, Greg und Asha kamen aus Polen und Irene aus Litauen. Die ersten zwei Tage verbrachten wir damit, jeden Winkel Yerevans und und so ziemlich jedes Restaurant unter der Führung Tarons (local Guide) zu erkunden. Er zeigte uns verschiedene Statuen, Gebäude, Kunstwerke, Sehenswürdigkeiten und führte uns schließlich auch in das Genozid Museum, wo uns der Völkermord an den Armeniern vor Augen geführt wurde und ich wiedermal geschockt war, wie grausam Menschen zueinander sein können.

Obwohl ich Großstädte tendenziell eher versuche zu meiden, verliebte ich mich in die Vielfalt Yerevans. Es gab unglaublich viel zu entdecken und ich ließ mich einfach im Strom des Großstadtdschungels treiben. Trotzdem freute ich mich sehr als wir endlich in die Natur aufbrachen. Wir bepackten unsere Rucksäcke mit allerlei Ausrüstung und Proviant für 5 Tage und nahmen schließlich einen Bus, der uns an den größten See Armeniens brachte.

Zuerst stand eine kleine Tagestour auf dem Plan. Mit Tagesrucksäcken ging es also den ersen Hügel hoch und dort genossen wir die Aussicht auf den türkis farbenen See, der seiner Größe nach wohl an den Bodensee heranreicht, wenn nicht sogar übertrifft. Abends suchten wir uns dann an dessen Ufer ein schönes Plätzchen, bauten unser Lager auf und suchten Feuerholz (was tatsächlich schwer zu finden war, weshalb ich eigentlich lieber die zahlreichen Kuhfladen verbrannt hätte) und genossen den farbenfrohen Sonnenuntergang und den aufgehenden, immer voller werdenden Mond bei idyllischen Ukuleleklängen, Feuer und guten Getränken.

Unser zweiter Tag wurde der anstrengendste der Tour. Weder die Höhe (wir starteten bei ca 3000 m) noch das Gewicht der Rucksäcke waren wir gewöhnt. Wir gingen die Südwand des Berges Aragats hoch, den heiligen Berg Ararat mit seiner bezaubernden Form und stolzen 5600m im Rücken und bei der Hälfte unserer Strecke bekam der erste im Team trotz regelmäßiger Pausen Probleme mit der Höhe. Unser Bergführer Daniel packte kurzerhand ihren Rucksack und schleppte ihn zusätzlich zu seinem den Berg hoch. Das Gesamtgewicht seiner Ladung muss wohl so um die 30-35 kg gewogen haben. Man sah ihm die Anstrengung nicht an und sein einziger Kommentar war:“ Kein Problem, so langsam wie ihr geht, normalerweise bin ich viel schneller!“ So schafften wir es also auf die erste Anhöhe und durften einen ersten Blick in den Krater werfen. Der Anblick übertraf unsere Erwartungen. Verschiedene Grün-, Rot-, Grau- und Brauntöne bildeten umrandet von vereinzelten Schneefeldern verwobene Muster an den Berghängen. Wir staunten nicht schlecht, warfen unser Gepäck ab, erklommen die letzten Meter zum Gipfel und genossen das überwältigende Panorama aus 3900m Höhe. Daran satt sehen konnten wir uns nicht, trotzdem hieß es nach einiger Zeit sich an den Abstieg zu machen. Diese Nacht würden wir direkt im Krater campen. Unser Weg führte durch ein relativ steiles Geröllfeld. „Je schneller ihr runter geht, desto einfacher ist es!“ meinte Daniel und so nahm ich mir an ihm ein Beispiel, sprang von Serpentine zu Serpentine, von Stein zu Stein und war innerhalb von 15 Minuten am Pass angekommen. Meine Teamkollegen war diese Methode nicht ganz so geheuer und gingen das Ganze langsamer an. So gönnte ich mir in der Zwischenzeit ein Nickerchen. Zeit genug hatte ich, denn es dauerte über eine Stunde, bis das Team wieder vollständig versammelt war. Wieder vereint ging es etwas zügiger in die Mitte des farbenprächtigen und doch kargen Krater. Die Sonne ging bereits unter und der volle Mond auf, als wir unsere Zelte aufschlugen. Die Landschaft war wie gemalt. Rundherum karge Berge und Felsen und ein voller Mond, der in den vielfältigen Farbspektren des Sonnenuntergangs aufging. In diesem wundervollem Szenario kochten wir wieder zusammen, schmetterten noch den ein oder anderen Song und sanken glücklich und ausgepowert in unsere Schlafsäcke.

Der nächste Tag sollte wieder etwas einfacher werden. Wir ließen unser Gepäck im Lager zurück und machten uns daran die letzten paar hundert Höhenmeter zum Gipfel zu erklimmen. Tatsächlich merkte ich die dünne Luft in 4000m Höhe mehr als gedacht. Es ist tatsächlich so wie man sagt, es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man unter Wasser durch einen Schnorchel Atmen. Wie schön die Aussicht am Gipfel war, kann ich wohl weder in Worte fassen , noch können es die Bilder darstellen. Es war einfach wundervoll! Leider blieben wir nicht allzu lange. Nach ein paar Minuten machten wir uns wieder auf den Rückweg zum Camp. Ich im Sauseschritt, der Rest etwas gemütlicher. Dort packten wir unsere Sachen und es ging wieder talwärts. Wir folgtem einem Bachlauf und Schritt für Schritt wurde das Gelände wurde das Gelände und die Wiesen wieder grüner. Diese Nacht campten wir auf einer saftigen Wiese am Fuße eines Wasserfalls. Dort hatte ich auch mein persönliches Highlight der Reise. Ich duschte im eiskalten Wasserfall, während ich durch den Regenbogen, den die Gischt bildete, den Anblick auf unser Camp und das darunter im Tal liegende Dorf genoss. Ich dachte ich platze gleich vor Freude! Am nächsten Tag erreichten wir das Dorf, wo der Bus schon auf uns wartete. Er brachte uns zum nächsten Supermarkt, wo wir uns erst mal mit Kaffee und Bier belohnten. Ich fand es persönlich ziemlich lustig, dass wir ohne Ausnahme alle erst mal Bier kauften. Aber das hatten wir uns nach den Strapazen der letzten Tage auch wirklich verdient.

Ein bisschen beschwipst ging es im Bus zu unserem nächsten Ziel und wiedermal hatte Ksenia eine Überraschung für uns parat. Wir fuhren in einem Tunnel durch einen Berg und schlagartig änderte sich die trockene und karge Landschaft und wurde zum Urwald. Sattes Grün und Bäume soweit das Auge blicken konnte erwartet uns. Wir schauten uns dort eine weiter wunderschöne Kirche an, bevor wir an einem Rastplatz in diesem Paradies unser letztes Camp aufschlugen. Perfekter hätte die Location nicht sein können. Der Platz war mit einer Kochstelle und Grill ausgestattet, im Tal unten floss ein klarer kühler Bach, der eine Art natürliche Badewanne geformt hatten in der wir wuschen und zusätzliche gab es eine lange überdachte Tafel, an der wir nochmal schmausten wie die Könige und uns bis spät unterhielten und Spiele spielten. Schöner hätte der Abend nicht sein können.

Von dort aus ging es dann zurück in die Hauptstadt, die wir dann noch zwei Tage unsicher machten. Besonders beeindruckt hat mich am Schluss noch der Hauptplatz, an dem fast jeden Abend klassische Musik gespielt wird und sich dazu Wasserfontänen im Licht zu Musik bewegten und auch das Bier hat mich vom Hocker gehauen und das nicht weil ich zu viel davon getrunken hatte!

Dann kam das letzte Abendmahl in einem wunderschönen Restaurant, wo wir einen Raum für uns ganz alleine hatten, unsere Reise nochmal reflektierten, lachten, aßen und uns pausenlos zuprosteten und ansprachen hielten. Wir waren alle zu Freunde geworden. Schließlich kam dann der Anschied der uns allen schwer fiel. Wir umarmten uns alle wehmütig und unwissend ob wir uns jemals wiedersehen werden, und freuten uns zugleich, dass wir die Chance hatten in dieser wundervollen Gruppe dieses Abenteuer zu erleben.

An dieser Stelle möchte ich auf jeden Fall nochmal Ksenia erwähnen und hervorheben. Sie hat diese Reise so perfekt geplant, sie hat an alles gedacht, gleichzeitig genug Raum für Spontanität gelassen und sich als hervorragende Teamleiterin herausgestellt. Noch dazu muss ich sagen, dass sie mit ihren Reisen nichts verdient, nur Unkosten deckt und das, weil es ihr so viel Spaß macht. Ich bin nach wie vor schwer beeindruckt. Wenn ich euch also mit diesem Bericht inspirieren konnten so eine Reise mal zu machen, besucht Ihre Website Hiking Dream Team und schließt euch einer Tour an. Ihr könnt nichts falsch machen.

Zum Abschluss nochmal vielen lieben Dank Ksenia für Alles und auch vielen lieben Dank an das ganze Team, ihr seid der Wahnsinn!!!

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